SV WOLMIRSTEDT
Schützenverein Wolmirstedt von 1863 e.V.
 

SCHÜTZENVEREIN WOLMIRSTEDT VON 1863 e.V.
Historie


Historie des SV Wolmirstedt (geschrieben von Kurt Flohr)


Die Geschichte der Schützen der Stadt Wolmirstedt unterscheidet sich nicht allzusehr von der allgemeinen Entwicklung des deutschen Schützenwesen, hat aber einige sehr markante Aspekte aufzuweisen. Parallel zu meinem Bemühen den Schützenverein wiederzugründen habe ich mich mit dessen Geschichte befasst. Hauptquelle waren und sind das Archiv des Heimatmuseums, das Stadtarchiv Wolmirstedt und Berichte älterer Bürger. Da Wolmirstedt im Mittelalter eine Stiftsdomäne, also Kirchengut, war kann ich davon ausgehen, das bis zum 16. Jahrhundert die sozialen Voraussetzungen für einen Schützenverein fehlten. Später, nach den Kriegswirren und der Belagerung als Garnisionsstadt, als Wohnstadt kleiner Beamter und Soldaten des nahen Magdeburgs, ist die Existenz eines Schützenvereins wahrscheinlicher. Beweiskräftige Zeugnisse liegen zur Zeit nicht vor, aber Zeitzeugen anderer Art. Heimatforscher sind sich darüber einig, das die Strassenbezeichnung „Vogelstange" in Wolmirstedt, früher noch „An der Vogelstange", von dem Ort herrührt, an welchem die Stange mit dem Vogel stand, welcher den Schützen als Ziel diente.

 
Es gibt Hinweise, dass Anfang des 19. Jahrhunderts ein Schützenverein existierte und sich die Schützenbrüder (Schützenvereine waren bis 1939 eine reine Männerangelegenheit) mit ihren Waffen an der Frühbürgerlichen Revolution 1848 beteiligten. Auf Grund dieser Aktivitäten wurde er 1849 verboten und aufgelöst. Aus den Reihen ihrer Gegner gründete sich 1850 der Landwehrverein zu Wolmirstedt. Dieses Gründungsjahr 1850 wird später noch bei der Geschichtsforschung unserer „Grossväter" Verwirrung stiften. Die an unserer alten Königskette befindlichen Plaketten von 1853 bis 1858 müssen also vom Landwehrverein stammen bzw. sich bewusst oder unbewusst auf diesen beziehen.


Die eigentliche „Gründungsurkunde" ist ein Artikel in der Wochenschrift „Allgemeiner Anzeiger für die Kreise Wolmirstedt und Neuhaldensleben" vom Sonnabend den 13.08.1864. Hierin wird das einjährige Bestehen des Schützen-Verein zu Wolmirstedt gewürdigt.


Ich mache an dieser Stelle einen Sprung in das Jahr 1989. Warum habe ich im Zuge meiner Vorbereitung einer Wiedergründung das Jahr 1863 gewählt und nicht eine frühere Erwähnung? Eben weil oben genannter Artikel eine Gründungsurkunde darstellt und weil sich die Geschichte der „1863er" bis 1940 beweiskräftig nachvollziehen lässt. Wichtigstes Beweisstück ist die Königskette, wahrscheinlich um 1900 gefertigt. Kontinuierlich, außer in den Kriegsjahren 1870 (Deutsch-Französischer-Krieg) sowie 1914 bis 1919 (1. Weltkrieg) wurde um den Königstitel geschossen. Ein weiterer Beweis ist der im Stadtarchiv vorliegende Pachtvertrag zwischen dem Schützenverein und der Stadt Wolmirstedt. Es ist ein Originalvertrag von 1864 eben über das Gelände auf welchem wir heute noch schiessen bzw. welches wir nutzen. Ein weiteres Zeugnis ist auch das Wolmirstedter Schützenlied. Es wurde in der Wochenzeitschrift „Allgemeiner Anzeiger für die Kreise Wolmirstedt und Neuhaldensleben" am 16. August 1865, also 50 Jahre nach siegreicher Beendigung der Befreiungskriege veröffentlicht.


Der Inhalt weisst eindeutig auf den Krieg gegen Napoleon hin. Mit dieser „ideologischen" Wurzel kann unser Verein gut leben. Im o.a. Anzeiger wird 1888, also zum 25 jährigen bestehen des Vereins berichtet: Höhepunkt des Schützenfestes war der Flug einer „Miss Wanda" mit einem Heissluftballon, welcher von der Schützenwiese startete. Wollten wir heute ähnliches bieten, käme wohl nur der Start einer Interkontinentalrakete in Frage.


Im Jahre 1899, so im „Wolmirstedter-Neuhaldensleber Anzeiger" im August 1899 zu lesen, schoss Landrat Otto von Hasselbach die Königswürde für seine Majestät Kaiser Wilhelm den II, König von Preussen.


Auf Fotos aus den 30er Jahren führen die Schützen eine Fahne, auf welcher nur der preussische Adler zu sehen ist. Aus Teilen der erkennbaren Umschrift könnte sich ergeben „Gestiftet von Luise, Königin von Preussen" Dies war vermutlich der Dank des Kaiser- und Königshauses für die Erringung der Königswürde.


Zu Beginn des 20. Jahrhundert kommen unsere Altvorderen etwas mit den geschichtlichen Fakten durcheinander. Im Heimatmuseum existiert eine Medaille die 1925 zum 75jährigen Jubiläum des Schützenvereins geprägt wurde. Man bezieht sich also auf 1850. Doch da wurde nachweislich der Landwehrverein gegründet. Ebenfalls im Heimatmuseum vorhanden ist die Urkunde über die Gründung eines KK-Schützenvereins 1926. Sein Domizil war die Gaststätte im Küchenhorn. Zwischen der Ruine und dem Bahngleis ist heute noch der aus Beton gegossene Kugelfang (12 m breit, 3 m hoch) zu sehen. Schützenstand war der später als Toilette genutzte Anbau am Saal. Die Grenze zwischen den beiden Vereinen war die Ohre. Nach anderen Unterlagen aus dem Jahre 1937 hat noch ein „Eisenbahner-Schützenverein" existiert, der aber ansonsten keine Spuren hinterlassen hat.


1939 erfolgte die Eingliederung und damit die Auflösung aller Schützenvereinigungen des Deutschen Reiches in den „Reichssportbund für Leibesübungen". Es musste der Reichadler und Hakenkreuz an der Uniform getragen werden. Die Schützenfeste wurden mit Beginn des 2. Weltkrieges verboten.


Auf Grund dieser Fakten ist die im Schützenhaus befindliche Königsscheibe ein absolutes Kuriosum. Bemerkenswert, weil weder Jahreszahl noch Namen eingeschrieben wurden. Nach glaubhafter Darstellung des Wolmirstedter Manfred Gothard der sie uns übereignete, ist dies die Königsscheibe seines Grossvaters Richard Thomar, ehemaliger Oberbahnhofsvorsteher in Wolmirstedt, aus dem Jahre 1940. Hier hat also ein „schwarzes" Königsschiessen im Verein stattgefunden. Aus diesem Grunde gibt es keine Scheibenaufschrift und kein Medaillon in der Königskette. Dann schien wirklich Ruhe eingekehrt zu sein. Der Krieg bot auch keinen Anlass zum Feiern. Mit dem Heranrücken der amerikanischen Truppen, so erfuhr ich im Gespräch mit Sattlermeister Helmut Möhring Sen. , wurden im April 1945 die Böllerkanonen, Herr Möhring hat davon Bilder, wahrscheinlich in der Nähe des Schützenhauses vergraben. Das Schützenhaus war in den letzten Kriegsjahren Notlazarett.


Nach dem Zusammenbruch soll es erstes Domizil der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft gewesen sein. Mit der Gründung der GST 1953 wurde es Sitz des GST-Kreisvorstandes. In der Wehrorganisation der DDR wurde das Sportschiessen ohne Traditionspflege und ohne Vereinsleben unter dem „Dach" des Deutschen Schützenverbandes, später mit dem Zusatz „der DDR", fortgeführt. Ich war in meiner Funktion als GST-Vorsitzender auch Vorsitzender des „Kreisfachverbandes Sportschiessen", welcher wiederum dem Kreisvorstand des DTSB angegliedert war. In den Jahren 1976-77 wurde der Schiessstand neu erbaut. Er entsprach zu dieser Zeit höchsten Ansprüche. Die Massnahme war ein echter „Schwarzbau", wie sie damals häufig in der DDR zu finden waren. Das heisst, kein Material, kein Geld und keine Arbeitskräfte waren geplant. Nur „Vitamin B" trieb den Bau voran. Immer wieder gab es Versuche Schützenfeste zu organisieren. Das scheiterte an der Ablehnung durch die SED Kreisleitung, die solche Aktivitäten als „kleinbürgerlichen-monarchistischen Müll" bezeichnete. Mit der Wende 1989 kam auch die Chance, altes deutsches Schützenbrauchtum wieder aufleben zu lassen. Selbst Sportschütze seit 1963 ergriff ich die Initiative und erforschte mit Unterstützung des Heimatmuseums die Geschichte unseres Vereins. Nachdem ich genügend Material für einen Start zusammen hatte, rief ich am 23. Februar 1990 in der Volksstimme zur Wiedergründung auf. Dem Ruf folgten eine Schützenschwester und weitere 13 Schützenbrüder. Wir beschlossen die von mir vorgelegte Satzung und ich reichte alle Unterlagen beim Kreisgericht Wolmirstedt ein.


Mit Wirkung vom 28.03.1990 wurde der „Schützenverein Wolmirstedt von 1863 e.V. unter der Nummer I in das Vereinsregister eingetragen.


Kurt Flohr